Deutschland braucht ein Einwanderungsgesetz
Gastbeitrag von Ingo Senftleben in Potsdamer Neueste Nachrichten am 10. Dezember 2015
Die Flüchtlingssituation bestimmt nicht nur in Politik und Medien derzeit die Debatten. Auch am Arbeitsplatz und an den Küchentischen vieler Familien wird dieser Tage oft darüber diskutiert. Es geht um Zahlen und Prognosen, Überzeugungen und Zweifel, Schlussfolgerungen und Konsequenzen. Allzu häufig werden aber auch Themenfelder miteinander vermischt, die wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben.
Angesichts der Flüchtlingsbewegung lehnt beispielsweise Mancher ein Einwanderungsgesetz ab. Schließlich kämen doch schon mehr als genug Ausländer zu uns. Andere – wie Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke – meinen: Wir brauchen ganz dringend ein Einwanderungsgesetz, damit zum Beispiel Wirtschaftsflüchtlinge aus sicheren Balkanstaaten legal in Deutschland in Arbeit gebracht werden können. Ich bin der Überzeugung: Beide Ansichten sind falsch.
Menschen, die vor Krieg und Gewalt flüchten, sind keine Einwanderer. Für sie sehen das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention humanitäre Hilfe für begrenzte Zeit vor. Dieses Recht erlischt, wenn die Zustände im jeweiligen Herkunftsland wieder stabil sind. Es ist zu dem eine Illusion, dass genau diese Menschen kurzfristig einen nennenswerten Beitrag gegen den Fachkräftemangel leisten könnten. In aller Regel sind Flüchtlinge kaum auf die Erfordernisse des deutschen Arbeitsmarktes vorbereitet.
Nichts anderes gilt für die meisten Personen, die ohne realistischen Anspruch auf Asyl zu uns kommen – beispielsweise aus sicheren Herkunftsländern. Sie müssen daher konsequent zurückgeführt werden und können nicht durch die Hintertür als Einwanderer ein Bleiberecht erhalten. Denn nur so kann der Flüchtlingsstrom spürbar reduziert werden.
Was ist ein gutes Einwanderungsgesetz und warum brauchen wir es?
Dass unser Land in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mehr ausgebildete Facharbeiter und hochqualifizierte Akademiker benötigt als auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind, ist unbestritten. Die Gesamtzahl von Personen in Deutschland, die theoretisch in der Lage sind, einer Arbeit nachzugehen, wird bis zum Jahr 2025 um rund 6,5 Millionen Personen sinken – und damit auch das Angebot an qualifizierten Fachkräften. Wir sind also vor allem aus demografischen Gründen auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen, um unseren Wohlstand langfristig sichern zu können.
Ein gutes Einwanderungsgesetz muss daher verbindlich festlegen, wen wir in Deutschland brauchen und wollen und dabei auch bisher bestehende Regelungen einbeziehen und bündeln. Es geht darin um die Definition von Voraussetzungen, Kriterien und Maßstäben, die von Einwanderern erfüllt werden müssen, damit sie dauerhaft in Deutschland leben und Teil unserer Gesellschaft werden können. Kanada setzt beispielsweise seit Jahren erfolgreich auf ein solches Modell.
So können Sprachkenntnisse, schulische und berufliche Qualifikationen, die Aussicht auf einen Arbeitsplatz aber auch Alter oder die Familiensituation für die Entscheidung, ob jemand nach Deutschland einwandern darf, herangezogen werden. Auf den Punkt gebracht, heißt das: Nur wer bereit und in der Lage ist, dauerhaft selbständig für seinen Lebensunterhalt aufzukommen, wer mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten Deutschland bereichert und sich aktiv zu unseren Regeln und Werten bekennt, soll legal nach Deutschland einwandern dürfen.
In Gesprächen erfahre ich häufig, dass es Unsicherheit und Skepsis gegenüber Einwanderung gibt, weil die Menschen Überfremdung, die Entstehung von Parallelgesellschaften sowie einen Verdrängungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt befürchten. Ein gutes Einwanderungsgesetz, wie ich es mir vorstelle, kann viele dieser Vorbehalte ausräumen.
Das geltende Recht setzt keine zahlenmäßige Begrenzung für Asylsuchende, eine Obergrenze für Einwanderung kann und sollte dagegen sehr wohl definiert werden. Die konkrete Zahl muss sich am Bedarf orientieren und muss auf die Branchen begrenzt sein, für die es in Deutschland kein ausreichendes Arbeitskräftepotential gibt. Dies ist derzeit zum Beispiel im Pflegebereich oder in den Ingenieurberufen der Fall.
Auch wenn Asylrecht und Einwanderung keine unmittelbare Verbindung haben, so kann es dennoch in Zukunft einen wichtigen Anknüpfungspunkt geben. Denn Menschen, die viele Monate auf Grundlage des Asylrechts bei uns Hilfe und Schutz gefunden haben, könnten sich natürlich auch um den Verbleib als regulärer Einwanderer bewerben. Wer bis dahin die Integrationsangebote auch in beruflicher Hinsicht gut und erfolgreich nutzt, der sollte auch die Chance für einen dauerhaften Verbleib haben. Nicht aus Barmherzigkeit oder Mitleid, sondern weil Deutschland einen großen Fehler begehen würde, Menschen mit Potenzial, die mit hohem Aufwand integriert wurden, wieder vor die Tür zu setzen.
Dieser Weg hätte gleich zwei entscheidende Vorteile: Erstens verliert das zu Recht oft kritisierte Instrument der Duldung an Bedeutung, weil über den Verbleib ohne Asylberechtigung anhand der Einwanderungskriterien viel klarer entschieden werden kann.
Zweitens sind Integrationsanreize für Menschen im Asylstatus deutlich größer, weil – wenn sie sich anstrengen und die Einwanderungskriterien erfüllen – sie tatsächlich eine Chance haben, dauerhaft hier bleiben können. Kurzum: Ein Einwanderungsgesetz ist im Gegensatz zum Asylrecht kein Hilfsangebot an Menschen in Not, sondern ganz allein im deutschen Interesse eine Antwort auf wichtige Zukunftsfragen unseres Landes.
Deshalb wird die Volkspartei CDU ein solches Gesetz auf den Weg bringen.
Quelle:
http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1031549/